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... war die Kaufhalle „Basar“ am Halle-Neustädter Treff

Vieles, was der damalige Direktor Bruno Geyer mit seinen 80 Mitarbeitern ab 1968 in die Tat umsetzte, ist auch in heutigen Supermärkten noch angesagt. Andere Ideen wurden bald wieder eingestampft. Und manche erleben gerade eine Renaissance.

Als im Versorgungszentrum des II. Wohnkomplexes (WK) am Nikolaustag 1968 die Tore aufgingen, stürmten die Kunden eine Einkaufswelt, wie sie im Arbeiter- und-Bauern-Staat niemand zuvor betreten hatte. Schon die Verkaufsfläche von 1.300 Quadratmetern übertraf alles Dagewesene. Damit in diesen Weiten niemand die Übersicht verlor, wurden die Produkte in 15 „Bedarfskomplexen“ präsentiert, wie der damalige Kaufhallen-Direktor Bruno Geyer berichtet.

Unter der Überschrift „Hausbäckerei“ fanden Kunden vom Mehl über die Backform bis zum Tortenheber alles, was die Planwirtschaft zur Keks- und Kuchenherstellung gerade hergab. Beim Schild „Für festliche Stunden“ wartete neben Knabbereien ein fast 15 Meter langes Weinregal mit einem über zwei Meter hohen Holzfass als krönendem Dekorationselement. Im Bereich „Wäschepflege“ startete kurz nach der Kaufhalleneröffnung der exklusive Testverkauf für ein neues Waschmittel aus Genthin, wie Geyer erklärt: „Spee eroberte die DDR – und später ganz Deutschland – von Halle-Neustadt aus!“

Probiertheken im „Basar“ luden zum Verkosten von Säften, Käse und Salaten ein. Wer darüber hinaus Beratungsbedarf hatte, konnte über drei Rufsäulen einen Verkäufer anfordern – per Lichtsignal-Effekt! Aus einem gläsernen „Funkstudio“ informierte eine Mitarbeiterin laufend über das aktuelle Warensortiment oder auch Öffnungen oder Schließungen an den elf Kassen.

„In das „Basar“-Konzept sind viele Erfahrungen aus der ,Transit‘-Kaufhalle im I. WK eingeflossen“, berichtet Geyer, der mit einem kleinen Team nicht nur diese beiden, sondern alle Neustädter Kaufhallen nacheinander zum Laufen brachte – bis 1976. „So viele Freiheiten wie bei der ,Basar‘ hatten wir aber nie wieder“.

Aufs Engste arbeitete seine Mannschaft bei der Planung und Realisierung mit Heiner Hinrichs, dem legendären Brigadier für Sonderbauten, zusammen. „Erstmals eine Kaufhalle ohne Fenster zu errichten, das brauchte schon Mut“, bescheinigt Geyer, „Hinrichs hatte ihn.“ Der Verzicht erlaubte vor allem eine besseres Flächen- und Energiemanagement.

Selbst die Bezahlvorgänge in der neu eröffneten „Basar“-Kaufhalle waren spektakulär: „Wir nutzten ein brandneues Kassensystem mit Geldsortier- und Rückzahlautomatik“, berichtet Geyer. Die Maschinen spuckten das Wechselgeld von selbst aus – „wenn alles gut ging“, wie der Diplom-Ökonom hinzufügt. Weil die Münzen sich allzu oft in den Schächten verkeilten, sei dieses Experiment „nach etwa anderthalb Jahren abgebrochen“ worden.

Durchgesetzt hat sich hingegen eine spezielle Art des Leergut-Managements, die im „Basar“ DDR-Premiere feierte. „Mein Stellvertreter Gerhard Reder kam auf die Idee, Kunden nach der Auszahlung des Pfandbetrages die Flaschen selbst in die Kästen sortieren zu lassen“, berichtet der Absolvent der Leipziger Handelshochschule. In Anbetracht des hohen Pfandflaschenaufkommens bescherte das dem Kaufhallen-Kollektiv eine spürbare Entlastung.

„In der ,Basar‘ arbeiteten zwar 80 Mitarbeiter, saisonal sogar mehr als 100“, beschreibt Geyer die Personalsituation, „aber 15 Frauen und Männer, also rund ein Drittel jeder Schicht, waren ausschließlich damit beschäftigt, Ware zu verpacken und auszupreisen.“

Nicht nur im Verkaufsraum, auch hinter den Kulissen wagte die staatliche Handelsorganisation (HO) in der „Basar“-Kaufhalle Revolutionäres. „Wir durften zum Beispiel eigenständig Direktlieferverträge schließen“, unterstreicht Bruno Geyer. Bis diese exklusive Freiheit 1971 wieder eingeschränkt wurde, hatte die „Basar“ rund 50 Zulieferer an sich gebunden. Das Mehl kam aus der Saalemühle Bernburg, Zucker aus Langenbogen und Kartoffeln von der Teutschenthaler LPG. Käsereien in Sangerhausen und Thüringen sorgten mit bis zu 30 verschiedenen Sorten für eine nach damaligen Verhältnissen geradezu überbordende Vielfalt an der Frischetheke.

Ihren Titel „größte Kaufhalle der DDR“ verlor die „Basar“ übrigens 1971 an einen Neubau in Berlin-Lichtenberg. Selbst eine Erweiterung der „Basar“-Verkaufsfläche um 200 Quadratmeter durch eine gleichzeitige Verkleinerung der Lagerfläche im selben Jahr konnte nichts daran ändern, dass im Handel der DDR fortan nur noch die Hauptstadt an erster Stelle stand.

2017 wurde die Kaufhalle abgerissen. Nächstes Jahr eröffnet am Treff ein neues, großes Nahversorgungszentrum seine Türen.

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